Die Erde ist angefüllt mit Himmel

Die Künstlerin Doris Studer (*1929) wohnt und arbeitet seit vielen Jahren in ihrem Atelier hoch über dem Dorf Engelberg. Erstmals war sie im Jahr 1992 mit einer grösseren Werkgruppe im Tal Museum vertreten. 1998 folgte die erste Retrospektive ihres Werkes. Die aktuelle Ausstellung im Tal Museum zeigt einen Überblick über ihr Schaffen der letzten 10 Jahre.

Doris Studers künstlerischer Werdegang begann in den frühen 1950er Jahren mit dem Besuch der Schule für Gestaltung in Zürich. In den folgenden Jahren widmete sie sich der Familie. Ihre künstlerische Tätigkeit musste sie aus Zeitgründen oft auf Sparflamme halten. Studienaufenthalte in den Kunstmetropolen Rom, Florenz, Paris sowie Reisen nach Spanien und Griechenland ermöglichten ihr dennoch, sich künstlerisch weiter zu entwickeln (s. Skizzen im Dillier-Raum). Ab 1984 besuchte sie die Sommerakademien in Salzburg. Dort begann sie sich mit Erdfarben als Malmedium auseinanderzusetzen. Erdfarben bestehen aus mineralischen und pflanzlichen Pigmenten, sind also natürliche Farben. In den folgenden Jahren setzte sich Doris Studer intensiv mit diesem Medium auseinander. Die besondere Intensität und Wirkung der Erdfarben prägt bis heute die Malerei der Künstlerin.

 "Die Erde ist angefüllt mit Himmel" - dieser Ausspruch der englischen Dichterin Elizabeth Barrett Browning (1806 - 1861) soll Leitgedanke der Ausstellung im Tal Museum sein. Er beschreibt in knappen Worten wesentliche Züge in Studers Schaffen. Ihre Bilder erzählen vom Zusammenwirken der Elemente Luft, Erde und Wasser. Konkrete Vorbilder - Landschaften, Meere, Berge, Pflanzen - sind Ausgangspunkt ihrer Kompositionen. Dabei sind die fast monochromen rot-, blau- und ockerfarbigen Farbflächen und die expressive Pinselführung Träger vielfältiger Stimmungen.

Seit vielen Jahren weilt die Künstlerin in den Sommermonaten in Griechenland. Die südliche, lichtdurchflutete Landschaft bildet einen interessanten Gegenpol zur herben Umgebung des Engelbergertales (s. z. B. die Gemälde „Herrenrüti“ (Nr. 1) im Foyer und „Delfi“ (Nr.29) im 1. OG). Interessanterweise setzt Doris Studer das in Griechenland Gesehene oftmals erst in ihrem heimischen Atelier um. Dieser lange Entstehungsprozess zeigt, dass Doris Studers Arbeiten Reflexionen des Gesehenen sind. Diese Reflexion drückt sich in abstrahierten Bildformen aus, in denen der klassische Betrachterstandpunkt oft aufgegeben wird. So wie die kleinformatigen „Gedanken“ im Gewölbekeller, die vom Wind umhergewirbelten Blätter („Wirbel“ (Herbstwind) Nr. 35, 1. OG) oder die Felswand „Zerfreila“, Nr.45 (2.OG) bei Vals.

Wie die geschichtsträchtige und von Mythen durchwirkte Landschaft Griechenlands Inspirationsquelle ist, so sind es auch die Eindrücke vor der eigenen Haustüre. Die Arbeiten „Herrenrüti“ (Nr. 1), „Tiltis“ (Nr. 59 und 60) oder „Spannörter“ (Nr. 61) sind Resultate dieser Auseinandersetzung. Die unmittelbare, alpine Umgebung, die im Laufe der Jahreszeiten so wandelbar ist, setzt die Künstlerin in vielfältiger Weise auf der Leinwand um.